Martin Luther University Halle-Wittenberg

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Geschichte der Allgemeinen Mikrobiologie in Halle

(Stand 2019)

Personen, Forschung und Lehre in Allgemeiner Mikrobiologie in Halle

1867-1872

ANTON DE BARY (*1831, †1888) wurde 1867 als Professor für Botanik nach Halle berufen. Er gründete und baute das bis jetzt bestehende Botanische Institut auf (heutiges Institut für Geobotanik). Er gilt als Begründer der modernen Mykologie und klärte die Entwicklungszyklen insbesondere von phytopathogenen Pilzen auf. Sein Interesse galt aber auch den Bakterien, u.a. der Endosporenbildung und –keimung (1, 2).

Akademischer Schülera: Oskar Brefeld (*1839, †1925)

1947-1956

JOHANNES BUDER (*1884, †1966) hat sich als Botaniker bereits während seines Aufenthalts bei W. Pfeffer in Leipzig (1909-1922) mit der Reizphysiologie von phototrophen Mikroorganismen beschäftigt. Er setzte diese Arbeiten später in Breslau (1928-1945) und Halle (1947-1956) fort. Er untersuchte u.a. den Phototropismus von Phycomyces- und Pilobolus-Sporenträgern und die Photototaxis von Purpurbakterien, Cyanobakterien und Diatomeen. Seit 1947 war er Direktor des Instituts für Allgemeine Botanik und der Botanischen Anstalten. Er fühlte sich nicht nur der Forschung sondern auch der Lehre in hohem Maße verpflichtet, hielt verschiedene Vorlesungen in Botanik, führte botanisch-mikroskopische Kurse durch und betreute Studenten individuell, so dass „sein Wirken […] von nachhaltigem Einfluss auf mehrere Generationen von Botanikern und Mikrobiologen“ war (1, 3).

Akademische Schülera:  Hans Günter Schlegel (*1924, †2013), Gerhart Drews, Wilhelm Nultsch (*1927, †2011), Horst Lyr, Friedrich Jacob (*1926, †2009), Wolfgang Brucker

1954-1956

HANS GÜNTER SCHLEGEL (*1924, †2013) (4) war nach seiner Doktorarbeit (1950) über die Photobiologie von Chromatium okenii und Thiospirillum jenense, die er unter Johannes Buder in Halle angefertigt hatte, Assistent bei Kurt Mothes am Institut für Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. Nach der Habilitation (1954) war er von 1954-1956 als Dozent in Halle tätig und hielt eine Vorlesung zur „Biologie der autotrophen Mikroorganismen“ (5). 1958 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Mikrobiologie an der Universität Göttingen (6). Er hat mit seinem ersten umfassenden Lehrbuch für Allgemeine Mikrobiologie (1. Auflage  1969) und durch persönliche Kontakte u.a. im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina über Jahrzehnte Lehre und Forschung in der Mikrobiologie in Halle beeinflusst und gefördert.

1956-1966

KURT MOTHES (*1900, †1983) war ab 1956 kommissarischer, und von 1957-1966 Direktor der Botanischen Anstalten und von 1957-1963 Direktor des Instituts für Allgemeine Botanik. Außerdem war er Professor für Pharmakognosie (1951-1966) und Professor für Biochemie der Pflanzen (1963-1966) und gründete und leitete das Institut für Biochemie der Pflanzen (heute Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie). Er war von 1954-1974 Präsident der Leopoldina. Als seine Hauptarbeitsgebiete hat er die Physiologie des Eiweißstoffwechsels, die Biochemie sekundärer Pflanzenstoffe (Alkaloide) und die experimentelle Ökologie bezeichnet.

Ein Teil seiner akademischen Schülera hat erfolgreich auf mikrobiologischen Gebieten gearbeitet: Detlef Gröger: Mutterkornalkaloide, Wolfgang Fritsche (*1933, †2017): Mikrobielle Abbauleistungen, Martin Luckner (*1935, †2004): Alkaloidbiosynthese bei Pilzen, Erich Ohmann: Photosyntheseregulation bei autotrophen Mikroorganismen (3, 7, 8).

1970-1977

WOLFGANG FRITSCHE (*1933, †2017) promovierte 1963 unter Kurt Mothes zum Abbau aliphatischer Kohlenwasserstoffe. Im Zuge der 3. Hochschulreform wurde 1968 unter der Leitung von Friedrich Jacob ein Teil des Instituts für Allgemeine Botanik als Wissenschaftsbereich für Pflanzenphysiologie und Mikrobiologie in die neu gegründete Sektion Biowissenschaften eingegliedert. Wolfgang Fritsche hielt spätestens ab 1966/67 als Oberassistent bzw. Lehrbeauftragter die 30stündige Vorlesung „Einführung in die Mikrobiologie“ für Dipl.-Biologen und Mittelstufenlehrer. Praktische Kurse in Mikrobiologie wie „Mikrobiologische Methoden“ mit 60 Semesterstunden und ein ganztägiges “Großes Praktikum“ wurden ab 1969/70 von Wolfgang Fritsche und Mitarbeitern und dem Mykologen Horst-Herbert Handke (*1913, †2005) für Dipl.-Biologen, -Biochemiker und Lehrerstudenten angeboten (5). Wolfgang Fritsche habilitierte sich 1970 über die Stoffwechselregulation von mikrobiellen Produktsynthesen in Candida und Claviceps. Seine Studenten regte er zu interdisziplinärer Zusammenarbeit an, z.B. mit Chemikern zur Synthese und Testung von Substanzen/Intermediaten und Diskussion von Abbauwegen (Jugendobjekt Schadstoffabbau). Nach einer Gastdozentur in Bagdad (1975/76) erhielt er eine Dozentur (1977) und den Ruf auf die Professur für Technische Mikrobiologie (1978) an der Universität Jena. Seine Hauptarbeitsgebiete waren die Ökologische Mikrobiologie und Umweltbiotechnologie, der mikrobielle Abbau von Fremdstoffen und die mikrobielle Synthese und Funktion von bioaktiven Sekundärmetaboliten (9, 10).

Seine akademische Schülerin war Gunhild Straube (*1943, †1994). Zu seinen Mitarbeiternb zählten: Jürgen Hensel, Ute Lechner, Wolfgang Rabsch u.a.

1978-1984

GUNHILD STRAUBE (*1943, †1994) promovierte 1970 über Wachstum und Produktbildung von Candida guilliermondii und war anschließend wiss. Mitarbeiterin am Wissenschaftsbereich Pflanzenphysiologie und Mikrobiologie unter Leitung von Friedrich Jacob. Sie hielt ab 1974 die Vorlesung Mikrobiologie. Nach dem Ruf von Wolfgang Fritsche nach Jena leitete sie die kleine Arbeitsgruppe Mikrobiologie am Wissenschaftsbereich und leistete das ganze Spektrum an Lehraufgaben. Sie habilitierte sich 1981 über Physiologie der Riboflavinüberproduktion in Candida und folgte 1985 dem Ruf auf eine Professur an der Technischen Hochschule Carl Schorlemmer, Merseburg. Zu ihren angewandten Forschungsgebieten gehörten auch aerobe Abbauprozesse mit Bakterien und Hefen.

Ihre Mitarbeiterb waren Jürgen Hensel und Ute Lechner.

1985-1991

HEINZ WEIDE (*1933, †1991) war zuvor in Greifswald und Köthen tätig und wurde 1985 auf die neu eingerichtete Professur für Allgemeine Mikrobiologie nach Halle berufen. Innerhalb des neu gegründeten Biotechnikums baute er die Mikrobiologie als eigenständigen Wissenschaftsbereich auf, zuerst mit Sitz im alten Institutsgebäude (Am Kirchtor 1), ab 1990 im Neubau des Biotechnikums der Martin-Luther-Universität (Kurt-Mothes-Str. 3). Er war zugleich stellvertretender Direktor für Forschung am Biotechnikum. Die Lehre wurde um Vorlesungen zu den Grundlagen der Technischen Mikrobiologie mit dem Gastdozenten Dieter Riesenberg  (*1952, †2000, Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie – ZIMET, Vorläufer des Hans-Knöll-Instituts Jena) und um Biotechnologie-Weiterbildungsangebote für externe Teilnehmer erweitert. Im Zuge der Erneuerung der Hochschulstruktur nach der Wende wurde die Abteilung Molekulare Genetik (Jörn Belter) integriert. Heinz Weide hat sich für die Überführung der Mikrobiologie in den Fachbereich Biologie und die Ausstattung mit drei Professuren (Allgemeine, Ökologische und Technische Mikrobiologie) eingesetzt, von denen letztlich zwei realisiert werden konnten. Seine Forschungsschwerpunkte zielten auf biotechnologische Anwendungen und beschäftigten sich mit Wachstum, Substratabbau und Plasmidstabilität in (gentechnisch veränderten) Mikroorganismen, Physiologie und Biochemie des Abbaus von abwasserrelevanten Schadstoffen, Wachstum und Produktbildung in osmophilen Hefen und Starterkulturen für die Lebensmittelindustrie.

Seine Mitarbeiterb waren Jürgen Hensel, Jörn Belter, Erhard Jöx, Manfred Krug, Ute Lechner u.a.

1991-1993

Nach dem plötzlichen Tod von Heinz Weide wurde das Institut von Frühjahr 1991 bis September 1993 kommissarisch durch UTE LECHNER geleitet. Die Vorlesungen wurden, wenn sie nicht wie z.B. die „Ökologische Mikrobiologie" aus eigenen Kräften realisiert werden konnten, von Gastdozenten gehalten, die „Allgemeine Mikrobiologie" von Jürgen Hofemeister (Institut für Kulturpflanzenforschung Gatersleben), die „Grundlagen der Technische Mikrobiologie" von Dieter Riesenberg und Udo Gräfe (*1941, †2003) (ZIMET Jena) und Wolfgang Babel (Umweltforschungszentrum Leipzig - UFZ). Die Mitarbeiter des Instituts gewährleisteten die Fortsetzung aller mikrobiologischen Praktika und Exkursionen sowie die Betreuung von Diplomanden und Doktoranden.

1993-2007

JAN REMMER ANDREESEN wurde 1993 von Göttingen auf den Lehrstuhl für Allgemeine Mikrobiologie nach Halle berufen. Fast gleichzeitig erfolgte auch die Berufung von Dietrich H. Nies auf die Professur für Ökologische und Technische Mikrobiologie (später Molekulare Mikrobiologie), so dass bereits mit Beginn des Wintersemesters die Lehre für Dipl.-Biologen und –Biochemiker sowie Lehramtsstudenten abgesichert war. Schnell wurden neue Arbeitsgruppen aufgebaut und vorhandene Mitarbeiter sowie aus der Pädagogischen Hochschule Halle nach deren Auflösung übernommene Mitarbeiter integriert. Jan R. Andreesen hatte durch sein jahrzehntelanges Wirken im Vorstand der VAAM sehr gute Kontakte zu deutschen und ausländischen Mikrobiologen und Biochemikern und nutzte sie, um den Mikrobiologiestandort Halle bekannt zu machen. Er lud zu regelmäßigen Kolloquien nach Halle ein. Studenten und Mitarbeiter erhielten bei Vorträgen, Diskussionen und Nachsitzungen Gelegenheit zu lebendigem wissenschaftlichen Austausch. Das Ausbildungsangebot in Mikrobiologie wurde durch die Lebensmittelmikrobiologie für Lebensmittelchemiker erweitert und den Biologie-Studenten wurde eine gern besuchte Vorlesung zur Medizinischen Mikrobiologie (Gastprofessor Helmut Tschäpe, Robert-Koch-Institut Wernigerode) angeboten. Als Dekan des Fachbereichs Biologie und Senatsmitglied setzte sich Jan Andreesen temperamentvoll und stets um ausgleichende Gerechtigkeit bemüht für die Biologie und die Universität ein. Seine wissenschaftlichen Interessen galten vor allem der Rolle von Selen und Wolfram im Stoffwechsel, der Biochemie der anaeroben Vergärung von Aminosäuren, dem Abbau von heterozyklischen Verbindungen und der reduktiven Dehalogenierung.

Zu seinen akademischen Schülerna zählen Thomas Brüser, Ute Lechner, Andreas Pich, Thomas Schräder, Brigitte Söhling. Langjährige Mitarbeiterb waren Erhard Jöx, Kathrin Makdessi-Spinka, Marion Moldenhauer, Barbara Thiemer u.a., siehe auch Liste der Doktorarbeiten (https://www.biologie.uni-halle.de/microbiology/general-mibi/andreesen/phd_theses__halle___list_in_germ/)

1993-

DIETRICH H. NIES wurde 1993 auf die Professur für Molekulare Mikrobiologie berufen (https://www.biologie.uni-halle.de/microbiology/nies/).

2007-

R. GARY SAWERS wurde 2007 nach der Emeritierung von Jan Andreesen auf die Professur für Allgemeine Mikrobiologie berufen (https://www.biologie.uni-halle.de/microbiology/sawers/).

aEs sind nur akademische Schüler aus der Zeit in Halle genannt, die hier die Voraussetzung für die Habilitation oder spätere Professur erwarben.

bEs konnten nicht alle Mitarbeiter aufgezählt werden. Beispielhaft wurden nur einige genannt, die der Mikrobiologie über längere Zeit fachlich verbunden blieben.

Literatur

1. Schlegel, H. G (1999) Die Geschichte der Mikrobiologie, Acta Historica Leopoldina Nr. 28, Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle (Saale)

2. De Bary, A. (1884) Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, Mycetozoen und Bacterien. Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig

3. Erich Ohmann, persönliche Mitteilung

4. https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_G%C3%BCnter_Schlegel   

5. Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 41, Vorlesungsverzeichnisse

6. Institut für Mikrobiologie und Genetik der Georg-August-Universität Göttingen, Webseite: History of the Institute of Microbiology & Genetics (http://www.img.bio.uni-goettingen.de/img_hist.htm   )

7. Lämmel, Erna, „Mothes, Kurt“, in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 223-224 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118584529.html   

8. Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 11, PA 24719, Kurt Mothes

9. Hecker, M. (2017) Nachruf – VAAM-Ehrenmitglied Wolfgang Fritsche gestorben. BIOspektrum, 23. Jahrgang, Heft 3, S. 318

10. Fritsche, W. (2008) Wie der Mensch über seine Verhältnisse lebt: Überlastetes Ökosystem Erde. Biol. Unserer Zeit: 38, 390-399 (DOI:10.1002/biuz.200810380   )

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